Allgemein

Verführung der Supermarktbetreiber: Was ist erlaubt, was ist fragwürdig?

Dieser Beitrag ist Teil 130 von 129 in der Serie Basics des LEH

Verführung der Supermarktbetreiber: Zwischen Obstregal und Kühltheke wird nicht nur verkauft, sondern auch verführt und zwar mit System.

Foto: Kaufland

Supermärkte arbeiten seit Jahrzehnten an der Optimierung dessen, was man heute Verkaufspsychologie nennt. Entscheidend ist, wie ein Produkt inszeniert, platziert, verpackt oder wahrgenommen wird. Vieles davon ist Routine, einiges clever und auch manches etwas kontrovers. 

Aus Betreibersicht stellt sich nicht mehr die Frage, ob diese Werkzeuge eingesetzt werden sollen, sondern wie und an welcher Stelle die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Vertrauen kippen könnte.

Preise, Platzierungen und Verführung

Foto: Supermarkt-Inside

Preisschilder sind keine nüchternen Informationsmedien, sie sind Inszenierung. Durchgestrichene „frühere“ Preise, großzügige Prozentangaben oder Angebote mit Mengenbindung gehören längst zur Grundausstattung. Diese Art der Preisgestaltung orientiert sich nicht am realen Einkaufserlebnis, sondern an psychologischen Effekten und sie funktioniert. 

Das zeigt sich auch in anderen Branchen. Im Online Glücksspiel übertreffen sich die Anbieter mit fulminanten Boni, die plakativ zur Schau gestellt werden. Wird ein Top Casino verglichen und gelistet, versuchen die Vergleichsportale herauszuarbeiten, welche Anbieter wirklich gute Boni bieten und wobei es sich nur um übertriebene Versprechungen handelt.

Im Supermarkt verstärken Platzierung und Wegführung die Wirkung. Wer glaubt, ein Regal sei nur aus logistischen Gründen so aufgebaut, irrt. Markenprodukte finden sich in Augenhöhe, Eigenmarken wandern ein Fach nach unten. Teure Artikel stehen dort, wo sie direkt ins Blickfeld rücken, günstige eher am Rand der Wahrnehmung. Und Grundnahrungsmittel wie Butter oder Milch? Die sind meist am Ende der Route positioniert, damit der Weg dorthin maximal viele Kaufimpulse bereithält.

Auch die sogenannten „Quengelzonen“ an der Kasse gehören zur festen Dramaturgie. Produkte, die sich spontan mitnehmen lassen, Süßes, Snacks, Kleinteile, liegen griffbereit, während die Kundschaft wartet. Dieser letzte Moment vor dem Bezahlen ist oft der profitabelste. Für Betreiber ist diese Kombination aus Wartezeit und Impulsauslösern ein bewährter Mechanismus, der nur selten hinterfragt wird.

Warum Düfte, Farben und Musik mitentscheiden

Dallmayr in München / Stammhaus Foto: Supermarkt-Inside

Wer einen Markt betritt, erlebt mehr als ein Sortiment. Temperatur, Beleuchtung, Musik, Gerüche, all das erzeugt Stimmung – und Stimmung verkauft. Besonders deutlich wird das bei frischem Brot: Der Geruch alleine sorgt für Appetit und ein Gefühl von Qualität. In vielen Fällen stammt dieser Geruch allerdings nicht vom Ofen, sondern aus einer Düse. Beduftungssysteme im Eingangsbereich oder bei den Backstationen arbeiten gezielt mit synthetischen Aromen, um bestimmte Reize auszulösen.

Auch die Beleuchtung ist kein Zufall. Fleisch wird häufig mit leicht rötlichem Licht präsentiert, damit es frischer wirkt. Obst und Gemüse glänzen unter punktgenauen Spots, die Unregelmäßigkeiten verschwinden lassen und Farben kräftiger erscheinen lassen. Selbst die Höhe der Decke, die Ausleuchtung der Gänge oder der gezielte Schattenwurf auf Produktgruppen folgen Überlegungen zur Wahrnehmungssteuerung.

Musik im Hintergrund ist selten ein lieblos gewählter Radiosender. Sie folgt einem Plan: Wer sich wohlfühlt, bleibt länger. Und wer länger bleibt, nimmt mehr mit. Langsame Musik soll entspannen, schnelle wirkt aktivierend, beides lässt sich je nach Zielgruppe und Tageszeit steuern. Für Betreiber bieten solche Reize ein unauffälliges, aber wirkungsvolles Werkzeug zur Verweildauersteuerung.

Wie Daten Kundenverhalten steuern helfen

Kundenkarten und Supermarkt-Apps wirken auf den ersten Blick wie reine Bonusprogramme. In Wahrheit sind sie hochentwickelte Tools zur Verhaltensauswertung. Wann eingekauft wird, wie oft, welche Produktgruppen dominieren, welche Marken bevorzugt werden, all das fließt in die Analyse. Ziel ist es, Angebote und Empfehlungen passgenau auszuspielen, Preisaktionen zu personalisieren und Sortimente zu optimieren.

Auch Standortdaten, Einkaufsfrequenzen oder bevorzugte Zeiten lassen sich digital erfassen. Die App weiß, wann ein Produkt nachgekauft werden müsste und erinnert rechtzeitig. Wer regelmäßig grillt, bekommt rechtzeitig Würstchen und Marinade vorgeschlagen. Das schafft Nähe, aber auch Abhängigkeit.

Aus Betreibersicht sind diese Daten Gold wert. Sie helfen, Prozesse effizienter zu gestalten und Streuverluste zu minimieren. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie transparent mit der Datenerhebung umgegangen wird. Rechtlich ist vieles erlaubt, solange Einwilligungen korrekt eingeholt werden. Doch die ethische Komponente sollte nicht unterschätzt werden. Kunden wollen sich verstanden fühlen, nicht durchleuchtet. Je nachvollziehbarer und nützlicher die Rückmeldeschleifen sind, desto eher entsteht Akzeptanz und echte Bindung.

Verpackungstricks und Mengenillusionen

Preissteigerungen sind schwer zu vermitteln. Shrinkflation, also die Reduktion des Inhalts bei gleichbleibendem Preis, ist für viele Hersteller ein eleganter Ausweg und für Händler ein nicht ganz konfliktfreier Balanceakt. Denn auch wenn die Füllmenge korrekt deklariert ist, bleibt beim Kunden oft ein schales Gefühl zurück, wenn der Becher plötzlich weniger enthält als gewohnt.

Skimpflation geht einen Schritt weiter. Statt die Menge zu reduzieren, wird die Rezeptur angepasst. Weniger hochwertige Zutaten, mehr Wasser, Ersatzstoffe, alles Maßnahmen, die sich wirtschaftlich begründen lassen, aber oft nur schwer kommunizierbar sind. Im Supermarktregal fällt das selten auf, zumal viele Käufer auf Wiedererkennung setzen und Verpackungen nur überfliegen.

Für den Handel bedeutet das: Entweder mitziehen oder erklären. Viele dieser Veränderungen kommen vom Hersteller, landen aber im Markt und damit auch im Erklärungsnotstand. Eine offene Kennzeichnung oder begleitende Kommunikation kann helfen, Vertrauen zu wahren. Denn langfristig zählt nicht nur die kurzfristige Marge, sondern die Glaubwürdigkeit der Marke und die beginnt am Regal.

Wie viel Verkaufspsychologie verträgt der Alltag?

Foto: EDEKA Minden-Hannover

Die meisten Methoden im modernen Lebensmitteleinzelhandel sind längst Standard. Sie werden nicht diskutiert, sondern umgesetzt, weil sie sich bewährt haben. Dennoch lohnt es sich, regelmäßig innezuhalten. Nicht alles, was erlaubt ist, muss auch ausgeschöpft werden. Und nicht jeder Trick, der funktioniert, ist automatisch sinnvoll.

Gerade im Zeitalter von Informationsflut und wachsender Skepsis gegenüber Werbung und Marketing steigt der Anspruch. Kunden sind kritischer, vergleichen schneller, teilen ihre Erlebnisse öffentlich. Ein kurzfristiger Verkaufserfolg, der auf Intransparenz beruht, kann langfristig Vertrauen kosten.

Für Betreiber stellt sich daher die Frage: Wo liegt der Unterschied zwischen verkaufsfördernder Gestaltung und Manipulation? Wann wird aus Inszenierung eine Irreführung? Und wie lässt sich das eigene Profil schärfen, ohne in die Trickkiste greifen zu müssen? Die Antworten darauf hängen vom Markt, der Zielgruppe und der eigenen Haltung ab, nicht vom Wettbewerb allein.

Fazit: Der Umsatz darf nicht über allem stehen!

Quelle: https://unsplash.com/de/fotos/-ivfp_yxZuYQ

Ein durchdachtes Marktbild, klare Kommunikation, nachvollziehbare Preisaktionen und ehrliche Angebote schaffen Bindung, nicht nur Umsatz. Natürlich braucht ein Supermarkt attraktive Reize. Aber eben solche, die nachvollziehbar und im besten Fall auch nützlich sind.

Dazu gehört zum Beispiel eine bewusst gewählte Platzierungspolitik, die nicht nur die Marge im Blick hat, sondern auch Orientierung bietet. Oder transparente Informationen bei Aktionsprodukten, bei denen nicht nur der Preis, sondern auch die Ersparnis konkret benannt wird. Auch die bewusste Entscheidung, auf bestimmte Reize wie künstliche Düfte zu verzichten, kann Teil eines nachhaltigen Profils sein.

Wer als Betreiber bereit ist, gängige Routinen zu überdenken, sich Feedback zu stellen und auch mal bewusst gegen den Strom zu schwimmen, sendet ein klares Signal: Hier wird nicht nur verkauft, sondern mitgedacht. Und das ist oft das stärkste Argument, weit über den Preis hinaus.

Was haltet ihr von diesem wichtigen Thema?  Bitte schreibt uns indes eure Meinung auf Supermarkt Inside.

Foto: wie gekennzeichnet. Links: Verlinkungen auch zur Werbetreibenden Online-Seiten, für deren Inhalt der Herausgeber keine Verantwortung übernimmt.

Serien Navigation<< Koalitionsvertrag: Gute Weichenstellung – Entlastungen müssen schon im Sommer kommen!

Trend

To Top